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Altersmedizin am Klinikum Lippe: Die Sturzgefahr steigt mit dem Alter

Wer kennt es nicht? Das Telefon klingelt im Wohnzimmer, während man gerade in der Küche beschäftigt ist. Jetzt aber schnell, bevor der Anrufer auflegt. Und rums, schon ist es passiert und man ist gestürzt. Sturzereignisse finden zum größten Teil zuhause statt, teils durch Unachtsamkeit, Hektik, Stolperfallen oder auch durch gesundheitliche Beeinträchtigungen. Meist gehen kleinere Stürze zum Glück glimpflich aus und die Betroffenen erleiden keine größeren Verletzungen. Es ist jedoch erwiesen, dass die Sturzgefahr mit dem Lebensalter steigt. Daher schenkt man dem Thema „Erhöhte Sturzgefahr im Alter“ in der Klinik für Geriatrie am Klinikum Lippe in Lemgo besondere Beachtung.

„Sturzgeschehen und ihre Folgen sind ein wichtiges Thema in der Altersmedizin“, weiß Dr. Christoph Friedrich, Chefarzt der Klinik für Geriatrie am Klinikum Lippe, „Experten schätzen, dass circa 40 Prozent der über 65-Jährigen mindestens einmal pro Jahr stürzen. Pro 1.000 Menschen dieser Altersgruppe ereignen sich jedoch laut Statistik rund 1.400 Stürze. Das bedeutet, dass diejenigen, die hinfallen, typischerweise regelmäßig stürzen. Genau dieser Zielgruppe wollen wir helfen, denn Stürze und ihre gesundheitlichen Folgeschäden können durch verschiedene Maßnahmen verhindert oder zumindest die Wahrscheinlichkeit eines Sturzes verringert werden.“

Die Gründe für eine erhöhte Sturzgefahr im Alter sind vielfältig. „Ältere Menschen zeigen oftmals eine verminderte Reaktionsfähigkeit. Kommen dann noch Sehbeeinträchtigungen, Muskelschwäche oder Schwindel durch niedrigen Blutdruck dazu, steigt meist die Wahrscheinlichkeit, dass sie stürzen. Ein wichtiger Faktor sind auch Medikamente, die sich auf die Aufmerksamkeit und die Reflexe auswirken können“, weiß Dr. Friedrich. Er sieht in seiner Klinik auch oft „Patientinnen und Patienten, die sich vor lauter Angst, dass sie hinfallen könnten, weniger bewegen. Das ist aber leider der komplett falsche Ansatz, denn damit landen sie in einer Art Teufelskreis. Weniger Bewegung führt nicht nur zur sozialen Isolation, sondern die wenigen Bewegungen der Betroffenen werden dann automatisch auch unsicherer und es kommt schneller zum Sturz.“

Es ist Dr. Friedrich und seinem Team ein wichtiges Anliegen, auf Sturzgefahren im Alter, Prävention und Therapiemöglichkeiten aufmerksam zu machen. Er sagt: „Man kann zunächst damit anfangen, Sturzfallen, wie die hochstehende Teppichkante im dunklen Flur, zu beseitigen. Auch Sport im Alter führt dazu, dass durch die regelmäßige Bewegung, Muskeln und Gelenke den Körper sicher tragen. Ein Stolpern kann dann zum Beispiel besser abgefangen werden. Wenn sich Sturzereignisse aber häufen, sollte man aufmerksam werden. Hier ist gerade das familiäre und soziale Umfeld besonders gefordert.“

In der Klinik für Geriatrie am Klinikstandort Lemgo werden Patientinnen und Patienten nach einem Sturz, dessen Folgen stationär behandelt werden müssen, kompetent versorgt und beraten. Dr. Friedrich erklärt: „Das Team ist speziell geschult, ein erhöhtes Sturzpotential, zum Beispiel durch Erkrankungen des Bewegungsapparates oder neurologische Krankheiten, zu erkennen. Wir können außerdem durch geeignete Maßnahmen der Physiotherapie, die Selbständigkeit und Mobilität unserer Patienten positiv beeinflussen. Auch die Verbesserung der Knochendichte, also eine Behandlung vorhandener Osteoporose, kann die Gefahr von Knochenbrüchen als Sturzfolge deutlich senken. Menschen, die nach einem Sturz keine direkten Verletzungsfolgen haben, bei denen aber Stürze vermehrt auftreten, können auch in unseren Geriatrischen Tageskliniken in Bad Salzuflen und Lemgo Unterstützung erhalten.“

Dem Thema „Sturzgefahr im Alter“ widmen sich Dr. Friedrich und sein Team auch in diesem Videobeitrag.

Altersmedizin: Gut alt werden in Lippe

Die Menschen werden immer älter und es gibt immer mehr alte Menschen. Der demografische Wandel erfordert auch spezielle medizinische Behandlungskonzepte. Diese finden sich in der Geriatrie, der sogenannten Altersmedizin wieder.
Die Lehre von den Krankheiten des alternden Menschen steckt als anerkannte eigenständige Fachrichtung in Deutschland noch in den Kinderschuhen und war bisher eher ein Teilbereich der Inneren Medizin. Doch die Veränderung der Gesellschaftsstruktur erfordert ein Umdenken und neue Behandlungskonzepte für eine Patientengruppe, die immer größer wird.
Dr. Christoph Friedrich ist Chefarzt der Klinik für Geriatrie am Klinikum Lippe. Gemeinsam mit Prof. Dr. Christoph Redecker, Chefarzt der Klinik für Neurologie, betreut er Patienten im Zentrum für Altersmedizin. Im Interview für unser Klinikmagazin Gesundheit Lippe hat er verraten, was genau diese Fachrichtung so besonders macht.

Dr. Christoph Friedrich

Herr Dr. Friedrich, Krankenhäuser sind schon immer ein Ort, an dem besonders viele ältere Menschen zu finden sind. Was ist der Unterschied zwischen einer normalen Station und der Versorgung in einem Zentrum für Altersmedizin?

In unserem Zentrum für Altersmedizin werden Krankheiten und sich daraus ergebende Behinderungen oder Beeinträchtigungen bei Menschen im höheren Lebensalter behandelt. Es ist unser Ziel, die älteren Patienten wieder fit zu machen. Sie sollen ganz normale Tätigkeiten des Alltags weitgehend allein bewältigen und weniger pflegebedürftig sein. Das ist für viele ältere Menschen sehr wichtig. Sie wollen nicht hilflos und abhängig von Dritten sein, sondern möglichst lang eigenverantwortlich wohnen und leben. Um dieses Ziel zu erreichen, ist interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig und diese können wir im Zentrum für Altersmedizin am Klinikum Lippe leisten. Im Prinzip kann man sagen, die Besonderheit eines Zentrums für Altersmedizin ist der Rundumblick – sowohl auf den Patienten als auch sein Umfeld.

Auf einer normalen Station behandelt der jeweilige Facharzt die Erkrankung des Patienten nach den Standards, die für seinen Fachbereich gelten. Doch gerade bei älteren Menschen liegen oft Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) oder mehrere Grunderkrankungen gleichzeitig vor. Daher werden meist auch verschiedene Medikamente nebeneinander eingenommen. Alle Einflüsse auf den Patienten – vom Problem, was zum Krankenhausaufenthalt führte, über Nebenerkrankungen bis hin zur Eigenständigkeit und zum sozialen Umfeld – zu berücksichtigen, ist Aufgabe der Geriatrie.

Also sind mehrere Fachabteilungen wichtig für den Erfolg der Therapie?

Ja, wir können den Patienten nur bestmöglich behandeln, wenn Ärzte, speziell geschulte Pflegekräfte, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Sozialarbeiter Hand in Hand zusammenarbeiten. Ich bin sozusagen als Facharzt für Geriatrie eine Art Lotse oder Netzwerker zwischen den Abteilungen.

Wie muss man sich diese Teamarbeit vorstellen?

Die Behandlung geht über die akutmedizinische Versorgung – also die Notfallversorgung – hinaus. Kommt also beispielsweise ein Patient mit einem Schlaganfall zu uns, wird er entsprechend der medizinischen Leitlinien mit der notwendigen Diagnostik und Therapie versorgt. Nach der Akutphase führen wir eine geriatrische Einschätzung, ein sogenanntes Assessment, mit dem gesamten Team durch.

Wir erfassen körperliche und geistige Einschränkungen, aber auch verbliebene förderungswürdige funktionelle Ressourcen des Patienten und seine soziale Situation. Aus all diesen Informationen erstellen wir dann ein individuelles Behandlungskonzept. Dies umfasst die weitere stationäre Therapie, aber auch die Versorgung mit Hilfsmitteln, die Vermittlung bedarfsgerechter ambulanter Hilfen und die Sozialberatung für die Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt

Ab wann ist man denn überhaupt nach Definition der Geriatrie ein Kandidat für die Altersmedizin?

Im Durchschnitt sind geriatrische Patienten über 70 Jahre alt. Der Organismus eines jungen Menschen funktioniert ganz anders als der eines beispielsweise 75-Jährigen. Das betrifft zum Beispiel den Stoffwechsel, die Organfunktionen oder Bewegungsabläufe. Für Kinder gibt es ja auch Kinderärzte, weil kleine Menschen anders „funktionieren“ als Große. Daher ist es nur logisch, dass es für ältere Menschen Geriater gibt, um die Besonderheiten des Alters zu berücksichtigen.

Als Geriater arbeiten Sie auch viel mit dementen Patienten, weil die Demenz eher im höheren Lebensalter auftritt.

Ja, das ist richtig. Nach Expertenschätzungen leben in Deutschland aktuell circa 1,7 Millionen Menschen mit einer dementiellen Erkrankung. Jährlich kommen ungefähr 300.000 Neuerkrankungen dazu. Das Problem dabei ist, dass Menschen mit Demenz ein erhöhtes Risiko für andere Erkrankungen oder Verletzungen haben. Zum Beispiel weil sie stürzen und einen Oberschenkelhalsbruch erleiden. Oder weil sie schlichtweg vergessen, ausreichend Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen, und so unter Mangelernährung oder Austrocknung leiden.

Kommt es dann zum Krankenhausaufenthalt, wird der Patient zusätzlich aus seinem gewohnten Umfeld herausgerissen und landet in einer ihm unbekannten, oftmals hektischen Umgebung. Orientierungslosigkeit, Isolation und nicht selten auch Aggression sind die Folge. Das ist nicht nur für den Patienten unangenehm, sondern erschwert auch den Behandlungserfolg. Es ist daher die Aufgabe des therapeutischen Teams, problemorientiert zu handeln und gleichzeitig alle Einflüsse auf den Patienten und den Behandlungsverlauf einzubeziehen.

Welchen Tipp haben Sie – sozusagen als Spezialist –, um möglichst gesund und zufrieden ein hohes Lebensalter zu erreichen?

Es ist viel einfacher aktiv alt zu werden, als im Alter wieder aktiv zu werden. Das bedeutet nicht, dass sich nicht auch im höheren Lebensalter große Trainingserfolge erzielen lassen, es ist aber wesentlich einfacher, ein gutes Aktivitätsniveau auch bis ins sehr hohe Lebensalter zu erhalten. Hier geht es nicht um Spitzensport oder Maximalbelastung, sondern um regelmäßige Aktivität. Neben den erwiesenermaßen positiven körperlichen und geistigen Effekten sind in einer Belastungssituation die Reserven vorhanden, um rasch wieder ins bisherige Leben zurückzukehren. Fehlen diese Reserven, gestaltet sich die Erholung nach akuten Erkrankungen ungleich langwieriger und schwieriger. Zahlen aus Skandinavien zeigen darüber hinaus sehr schön, dass in den letzten 30 Jahren nicht nur die Lebenserwartung gestiegen ist, sondern noch stärker als diese die Dauer der selbständigen Lebensführung.


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