Weltadipositastag: Vertrauen kennt keine Entfernung
04.03.2025 Weltadipositastag
Vertrauen kennt keine Entfernung
Warum eine Patientin für ihre OP von Nürnberg nach Detmold reist
Jedes Jahr am Weltadipositastag, dem 04.03., rückt eine Krankheit in den Fokus, die Millionen von Menschen betrifft und dennoch oft unterschätzt wird: Adipositas. In Deutschland sind rund zwei Drittel der Männer und mehr als die Hälfte der Frauen übergewichtig. Dabei gelten etwa ein Viertel der Erwachsenen als adipös.*

Dr. Miljana Vladimirov, MHBA, Leiterin des Adipositaszentrums Lippe
Der Aktionstag soll das Bewusstsein für die gesundheitlichen Folgen von starkem Übergewicht schärfen und Betroffene sowie Angehörige ermutigen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn Adipositas ist weit mehr als eine Frage des Lebensstils – sie ist eine von der Weltgesundheitsorganisation WHO anerkannte chronische Erkrankung, die eine ganzheitliche Behandlung erfordert.
Dr. Miljana Vladimirov, MHBA, Leiterin des Adipositaszentrums Lippe weiß: „Adipositas ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die nicht allein durch Willenskraft oder Diäten gelöst werden kann. Betroffene benötigen ab einem bestimmten Gewicht qualifizierte, medizinische Unterstützung und ein auf sie zugeschnittenes Behandlungskonzept, um langfristig erfolgreich abzunehmen und ihre Gesundheit zu verbessern. Vielen fällt es jedoch schwer, den ersten Schritt zu tun.“
Die ersten Schritte fielen auch Stefanie Reichel nicht leicht. Die heute 45-Jährige litt jahrelang unter ihrem hohen Gewicht und der sogenannten Elephantiasis, einer abnormen Vergrößerung von Körperteilen durch Lymphstau. „Ich habe mich nicht mehr wohlgefühlt in meinem Körper und immer mehr isoliert. Die Blicke und Bewertungen mir völlig fremder Menschen haben mich in die soziale Isolation getrieben. Und dann kam der Lockdown in der Corona-Pandemie“, erinnert sie sich.

Stefanie Reichel, Patientin am Adipositaszentrum Lippe
Allein in dieser Zeit hat Stefanie Reichel 90 kg zugenommen. „Der Lockdown war prima. Ich durfte ja nicht mehr rausgehen und entkam so auch der Stigmatisierung durch andere. In meinem alten Beruf als Friseurin konnte ich aus gesundheitlichen Gründen schon lange nicht mehr arbeiten. Also blieb ich zuhause. Aus Langeweile habe ich dann viel gekocht und natürlich auch gegessen.“ Das böse Erwachen kam nach Ende des Lockdowns: „250 kg habe ich auf die Waage gebracht. Und das bei einer Körpergröße von 168 cm.“
Mit diesem hohen Körpergewicht, welches Begleiterkrankungen verursachte, war an Lebensqualität für Stefanie Reichel nicht zu denken: „Ich litt nicht nur an den abfälligen Blicken, sondern auch an Begleiterkrankungen, welche die Adipositas mit sich brachte: Asthma, Luftnot, Bluthochdruck und Schilddrüsenunterfunktion. Jeder Schritt fiel mir schwer und ein Weg von 50 Metern war für mich der blanke Horror. Auch von Fachleuten fühlte ich mich selten ernst genommen“, sagt sie heute.
2021 wird Stefanie Reichel zum ersten Mal in Nürnberg, ihrer Heimatstadt, operiert und bekommt einen Schlauchmagen. „Ich habe mich ein Jahr lang auf die OP vorbereitet und auch den OP-Vorbereitungskurs besucht. Allein in der Vorbereitungszeit konnte ich durch Ernährungsumstellung mein Gewicht auf 222 kg reduzieren. Durch den Kurs und die kompetente Unterstützung von Experten hat es bei mir Klick gemacht.“
Direkt nach der Operation purzeln die Kilos. Die bewusste und an den Schlauchmagen angepasste Ernährung und Sport – erst über YouTube-Videos zuhause und später mit etwas mehr Selbstbewusstsein im Fitnessstudio und Schwimmbad – helfen Stefanie Reichel. In anderthalb Jahren nimmt sie 130 kg ab. „Ich bin seit der ersten Operation wirklich sehr diszipliniert, aber es fällt mir nicht schwer, weil ich mein neues Leben mit allen Freiheiten, die ich heute habe, genieße. Es ist mir wichtig, gesund zu leben und aktiv zu sein.“

Stefanie Reichel, Patientin am Adipositaszentrum Lippe
Aktuell wiegt sie knapp unter 100 kg. Aufgrund einer bestehenden Refluxkrankheit soll der Schlauchmagen in diesem Jahr in einen Magenbypass umgewandelt werden. „Meine erste Operation wurde in Nürnberg von Frau Dr. Vladimirov durchgeführt. Da sie zwischenzeitlich ans Klinikum Lippe nach Detmold gegangen ist, stand für mich schnell fest, dass ich für meine Umwandlungsoperation die rund 400 km von Nürnberg in den Kreis Lippe auf mich nehmen werde. Ich muss Vertrauen zu einem Arzt oder einer Ärztin haben und das Team des Adipositaszentrums Lippe ist einfach so herzlich. Ich fühle mich verstanden, akzeptiert und fachlich gut beraten. Deshalb fahre ich jetzt bis nach Detmold für die OP und nehme den Weg auch für die Nachsorge einmal im Jahr künftig in Kauf.“
Wichtig ist der Nürnbergerin auch die Aufklärung über Adipositas. Sie ist daher auch in Selbsthilfegruppen aktiv: „Wenn man sehr dick ist, denken alle, dass man sich aus Spaß und Langweile fett gefressen hätte. Die Erkrankung dahinter sehen oder kennen andere oft gar nicht. Deshalb ist es mir wichtig zu zeigen, dass man es schaffen kann, die Adipositas zu besiegen. Sie wird mein lebenslanger Begleiter bleiben, aber ich habe die Kontrolle. Es kostet Überwindung diesen Weg zu gehen, aber mit der richtigen Unterstützung durch spezialisierte Adipositas-Experten, kann es gelingen. Man muss nur den ersten Schritt wagen.
„Es kommt gar nicht so selten vor, dass Patientinnen oder Patienten weite Wege in Kauf nehmen, um sich im Adipositaszentrum Lippe operieren zu lassen“, weiß Dr. Miljana Vladimirov. „Gerade bei chronischen Erkrankungen wie der Adipositas ist neben der medizinischen Kompetenz auch das Vertrauen ein wichtiger Faktor für die Wahl des richtigen Krankenhauses.“
Adipositaszentrum Lippe
Adipositas kann schwere gesundheitliche Folgen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Gelenkprobleme mit sich bringen. Doch nicht nur körperliche Beschwerden belasten Betroffene – oft leiden sie auch unter sozialer Stigmatisierung. Am Klinikum Lippe bietet das Adipositaszentrum als zertifiziertes Referenzzentrum für Adipositaschirurgie eine spezialisierte Anlaufstelle für Menschen mit starkem Übergewicht. Das Adipositaszentrum gehört zur Universitätsklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Campus Klinikum Lippe am Universitätsklinikum OWL der Universität Bielefeld.
Ein interdisziplinäres Team aus Ärztinnen und Ärzten, Ernährungsberatern, Psychologen und Physiotherapeuten entwickelt maßgeschneiderte Behandlungskonzepte. Ziel ist es, Betroffenen eine langfristige und nachhaltige Lösung für ihr Gewichtsproblem zu bieten und ihre Lebensqualität zu verbessern. Oftmals können Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie bereits zu einer deutlichen Gewichtsreduktion und einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation führen.
Ist eine konservative Therapie nicht ausreichend oder das Übergewicht bereits extrem hoch, kann ein operativer Eingriff den langfristigen Erfolg unterstützen. Hierbei setzt das Adipositaszentrum Lippe auf moderne, minimalinvasive Verfahren wie Magenbypass-Operationen oder Schlauchmagenresektionen. Wenn die Patientin oder der Patient davon profitiert, wird am Klinikum Lippe der Eingriff auch roboterassistiert angeboten. Die verschiedenen OP-Varianten haben alle eines gemeinsam: Sie helfen, die Nährstoffaufnahme zu reduzieren und ein schnelleres Sättigungsgefühl zu erreichen – mit dem Ziel, gesundheitliche Risiken zu minimieren und eine nachhaltige Gewichtsabnahme zu ermöglichen.
Auch nach einer Operation werden Patientinnen und Patienten eng begleitet. Regelmäßige Nachsorgetermine helfen, den Behandlungserfolg zu dokumentieren und mögliche Herausforderungen frühzeitig zu erkennen. „Unsere Aufgabe endet nicht mit dem Eingriff – wir unterstützen die Betroffenen auf ihrem gesamten Weg, um ihnen eine langfristige Perspektive für ein gesünderes Leben zu bieten“, betont Dr. Miljana Vladimirov, MHBA.
Lippisches Adipositas Symposium
Aber nicht nur die Versorgung der Menschen mit Adipositas und die Aufklärung in der Bevölkerung sind Dr. Vladimirov und ihrem Team wichtig. Auch die kontinuierliche Fortbildung, Netzwerkarbeit und der Austausch mit Fachpersonal steht im Fokus. Deshalb veranstaltet das Klinikum Lippe am 15. März 2025 das 1. Lippische Adipositas Symposium. Die Veranstaltung in Detmold bietet Medizinern und Therapeuten umfassende Informationen rund um neueste Studien und innovative Therapieansätze.
*Zahlen der Deutschen Adipositasgesellschaft